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Einfach Liebe

14.10.2022 | Katrin Baginski

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Katrin Baginski

Katrin Baginski arbeitet als Pressereferentin und Texterin für die NRD.

Einfach Liebe

Vera liebt Claus. Und Claus liebt Vera. Seit 20 Jahren sind die beiden ein Paar. Für das Fotoprojekt des Darmstädter Fotografen Andreas Reeg gaben beide jetzt berührende Einblicke in ihre gemeinsame Geschichte.

Claus, 51, und Vera, 58, leben im Wohnverbund Erbach im Odenwald. Für das Treffen mit dem Fotografen haben sich beide in Schale geworfen. Claus trägt ein frisch gebügeltes Hemd, Vera einen Pullover mit Glitzer. Vor zwei Tagen war sie extra noch beim Frisör. Sie strahlt: „Ich habe Locken und eine neue Farbe“. Der Fotograf trifft etwas verspätet ein und muss dann erstmal selber einige Fragen zu seinem Beziehungsleben beantworten. Ob er auch verheiratet ist, wo er lebt und was er alles so macht, wollen die beiden wissen. Andreas Reeg erzählt von seiner amerikanischen Frau Kathleen, seinen zwei Kindern und wie er zur Fotografie gekommen ist. Die Atmosphäre ist entspannt und offen. Vera und Claus freuen sich, an dem Projekt mitzuwirken. Sie zeigen Andreas Reeg ihr kleines Reich, in dem sie seit einigen Jahren wohnen.

„Liebe mit Claus ist schön“

Ganz gentlemanlike bietet Claus dem Besuch aus Darmstadt einen Kaffee an, den er an der Padmaschine zubereitet. Im Wohnungsflur hängen neben dem eingerahmten Hochzeitsfoto auch einige Fotos von den Flitterwochen auf Mallorca. Claus grinst spitzbübisch, als er von der Reise erzählt. Dass das eine aufregende Woche war, spürt man sofort – ebenso wie seinen speziellen Humor, der zwischendurch immer wieder aufblitzt. Das Paar redet ganz offen über seine persönliche Lebenssituation. „Ein Unfall mit dem Motorrad“, erklärt Claus den Grund für seinen Rollstuhl. Eine Hightech-Version übrigens, mit der er nach Feierabend und am Wochenende viel unterwegs ist. Veras Situation ist anders. Eine Hirnblutung bei der Geburt führte zu Komplikationen, macht sie körperlich und psychisch wenig belastbar. Auch ihre familiäre Geschichte besitzt schwierige Seiten. Trotzdem sieht man Vera häufig strahlen. Sie ist glücklich mit ihrem Claus, der sich sehr fürsorglich um sie kümmert und immer danach schaut, dass sie alles hat. „Claus macht mir gerne Geschenke“, freut sie sich. Aber auch Vera umsorgt ihren Claus liebevoll. Sie hilft ihm beim Anziehen oder abends beim Zubettgehen, da er Schwierigkeiten hat, seine Beine zu bewegen. Beide geben sich gegenseitig gerne, was sie gut können und schätzen das aneinander.

Eigenständig leben mit Trauschein

Die erste Begegnung von Claus und Vera fand vor rund 20 Jahren im damaligen Haus Magdala statt, einem der inzwischen aufgelösten zentralen Wohngebäude in Mühltal. Beim Probewohnen funkt es zwischen den beiden. Einige Jahre später entsteht der Neubau in Erbach. Beide ziehen dort ein und leben nach einigen Wechseln inzwischen in einem größeren Apartment. Mit dem Wunsch nach eigenständigem Lebensraum kam auch der Wunsch zu heiraten. Ihr „Ja-Wort“ geben sie sich in der Erbacher Kirche. Sieben Jahre sind sie jetzt verheiratet. Beide werden vor Ort von einem Bezugsbetreuer unterstützt. Im Apartment nebenan wohnt ebenfalls ein Pärchen.

Den Besuch im Café direkt am Erbacher Schlosspark genießen Claus und Vera sehr und zeigen das ganz offen. Bei Eisbecher und Milchkaffee kommen sie ins Plaudern, necken und umsorgen sich.)

Man kennt sich. Doch der Kontakt ist nicht ganz einfach, da es sich um den Ex-Freund von Vera handelt. Wie bei anderen Paaren auch, läuft auch bei Vera und Claus nicht immer alles rund. Beide haben ihre Eigenheiten, brauchen ihren Rückzug voneinander. „Manchmal hör ich sie streiten und denke, die trennen sich morgen“, schmunzelt Christian Ballas, Veras Bezugsbetreuer. Doch auch das „verflixte siebte Jahr“ geht vorüber, beide werden gemeinsam älter, wissen, was sie aneinander haben. Claus liebt die Musik und zerstreut sich gerne mit Handyspielen. Vera malt gerne. Tagsüber arbeiten beide in Werkstätten, Vera sogar in Vollzeit. Abends essen sie zusammen, schauen gemeinsam fern. Manchmal fährt Claus noch alleine ins Städtchen. Im Moment freuen sich beide auf die geplante Urlaubsreise nach Holland.

Die eigenen Bedürfnisse leben

Menschen mit Behinderung haben wiealle Menschen das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und Partnerschaft. Das beinhaltet auch das Recht, zu heiraten oder Eltern zu sein. Dieses Recht gehört zu unseren Grundrechten und ist auch im Artikel 23 der UN-Behindertenkonvention klar formuliert. Trotzdem ist eine Partnerschaft für Menschen mit Behinderung heutzutage nicht selbstverständlich. Häufig entscheiden Eltern, Angehörige oder vom Gesetz bestimmte Betreuer*innen darüber, ob Menschen mit Behinderung als Paar zusammenleben können. Man schätzt, dass ca. 10 % von ca. 1,7 Millionen Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung einen Partner oder eine Partnerin haben. Vera und Claus gehören dazu. Was berührt ist ihre natürliche und offene Art, mit der sie über sich und ihre Gefühle füreinander erzählen. Ihre Lebensfreudebeinhaltet eine gewisse Leichtigkeit und lässt die schwierigen Lebensumstände, die beide begleiten, in den Hintergrund rücken. Es macht dankbar, an diesem Augenblick teilhaben zu dürfen. Andreas Reeg hat an diesem Tag viele Fotos geschossen: Auf dem Weg in die Erbacher Altstadt, im Café, im Park und in der gemeinsamen Wohnung. Das Foto, das er für das Projekt „Loveletters“ ausgewählt hat, ist selbst ein Liebesbrief an seine beiden Protagonisten.

Das Projekt

Das Fotoprojekt „Loveletters“ läuft weiter. Klient*innen rund um die NRD, die in einer Beziehung leben – ob mit oder ohne Trauschein – sind herzlich eingeladen, mitzuwirken. Bislang nehmen drei Liebespaare daran teil. Informationen in Leichter Sprache sind für das Projekt erhältlich. Alle Paare erhalten Abzüge ihrer Fotoaufnahmen. Wenn es möglich ist, soll im Anschluss ein Bildband erstellt werden, vielleicht gibt es auch eine Ausstellung.

Andreas Reeg

Der Fotograf

Andreas Reeg hat sich auf Porträt und Reportagefotografie spezialisiert und arbeitet für viele renommierte Magazine und Unternehmen. Der Fokus seiner persönlichen Arbeit liegt auf sozialen Themen.

Das Interview mit Andreas Reeg finden Sie hier

 

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  • Inklusion...

    ...bedeutet für mich, dass man alle Menschen wieder mehr zusammenführt. Wenn alle aufmerksam und hilfsbereit miteinander umgehen, dann geht es allen auch seelisch besser. 

    Inklusion...
    Virginia Dindore
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