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Endlich raus aus de Heime

23.06.2016 |  Gastautor

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Endlich raus aus de Heime

Ottmar Jäger lebte über 40 Jahre im stationären Wohnen in der NRD in Mühltal. Im Alter von 55 Jahren entschied er sich vor vier Jahren, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Isabell Ehinger, damals Betreuerin der NRD, führte mit Ottmar Jäger ein Gespräch über Gründe, Ziele und Erfahrungen seines Wegs in die Selbstständigkeit.

„Endlich raus aus de Heime“, seufzte Herr Jäger genussvoll am offenen Fenster. Es ist seine erste Wohnungsbesichtigung im November 2009. Nach fast 50 Jahren stationärem Wohnen in der NRD entschied sich Herr Jäger im Alter von 55 Jahren, den Auszug zu wagen. Die erste Wohnung, die er sich anschaut, ist 20 Quadratmeter groß, noch unrenoviert und befindet sich in einem Hochhaus in Groß-Gerau. Doch Größe und Optik spielten keine Rolle, dies könnte seine eigene Wohnung sein!

Noch weitere Wohnungen anschauen? Nein. DIESE sollte es sein und zwar so schnell wie möglich! So zog Herr Jäger im Januar 2010 nach Groß-Gerau in seine erste eigene Wohnung. „Über 40 Jahre habe ich im Heim gelebt, das reicht“.

Zuletzt bewohnte Ottmar Jäger ein Appartement im WV Mörfelden. Hier konnte er sich auf den nächsten Schritt vorzubereiten. Bekannt war Herr Jäger eher als Bewohner, der sich im Kontakt mit anderen selten gut gelaunt zeigte und auch gerne mal etwas lauter seine Meinung äußerte. Für seine Rechte stand Herr Jäger auch damals ein, störte ihn die Lautstärke des Mitbewohners, hat er sich deutlich beschwert.

 Seinem Wunsch, noch mal in eine eigene Wohnung umzuziehen, stand nicht jeder Mitarbeiter optimistisch gegenüber. Die Sorge, er fände sich vielleicht nicht zurecht, war groß. Doch seine Entscheidung stand fest. „Ich wollte weiter kommen“, sagt er heute.

 Januar 2012, zwei Jahre später hat sich viel verändert. Er genießt das Leben in den eigenen vier Wänden und ist sehr stolz auf seine Wohnung. Als ich ihn fragte,   ob er sich vorstellen könne, für die Mitarbeiterzeitung ein Interview zu geben, war seine erste Frage „Liest das auch der Herr Maurer?“ Aber sicher! Begeistert stimmte er zu.

Als ich zum Interview zu ihm komme, steht er wie so oft bereits am Hauseingang und begrüßt mich lächelnd und freundlich mit einem Handschlag. Gemeinsam fahren wir mit dem Aufzug in den 5. Stock und er bittet mich herein. Auf seinem Schreibtisch dampft der heiße Kaffee, er setzt sich hin und lauscht gespannt auf meine Fragen.

Isabell Ehinger: Jetzt ist es schon zwei Jahre her, seit Du hier eingezogen bist. Kannst Du Dich noch erinnern, wie es Dir in Mörfelden gefallen hat?

Ottmar Jäger: Es ging eigentlich. Es war zwar bisschen mehr Unruhe, aber es ging.

Isabell Ehinger Was hat Dir am Besten gefallen?

Ottmar Jäger: Da konnte ich mir das Essen auch schon selbst machen.

Isabell Ehinger Hast Du gerne etwas mit anderen unternommen?

Ottmar Jäger: Ja, aber das war bisschen zu laut. Isabell, weißt Du, ich wollte ja schon immer alleine leben, ich habe genug mit anderen zusammen gelebt. Ich wollte ja weiter kommen im Leben.

Isabell Ehinger: Wie kamst Du auf die Idee, in eine eigene Wohnung zu ziehen?

Ottmar Jäger: Ich wollte weiter kommen. Das wollte ich schon immer. Ewig im Heim bleiben wollte ich nicht. Der Christoph (ein Mitarbeiter) hat damals gesagt, ich könnt´s   ja mal probieren.

Isabell Ehinger Kannst Du Dich an den Umzug erinnert?

Ottmar Jäger: Boah, Isabell, ein Umzug ist viel Arbeit.

Isabell Ehinger: Kannst Du Dich noch erinnern wie die erste Nacht in der eigenen Wohnung war?

Ottmar Jäger: Naja, es ging so. Da musste man sich erst dran gewöhnen.

Isabell Ehinger:   Hat alles gleich geklappt? Hattest Du Hilfe?

Ottmar Jäger: Es ging so. Die Mitarbeiter haben geholfen. Man braucht ja irgendwann auch mal Hilfe. Alles kann man im Leben ja auch nicht. Der Christoph kam mich am Anfang auch besuchen und dann ja ihr.

Isabell Ehinger:   Wie geht es Dir heute in Deiner Wohnung?

Ottmar Jäger: Es geht gut. Besser als früher.

Isabell Ehinger:   Was gefällt Dir gut?

Ottmar Jäger: Hier ist es ruhiger. So viel Betreuung brauche ich nicht. Manche brauchen mehr als ich. Ich bin selbständig.

Isabell Ehinger: Was gefällt Dir nicht gut?

Ottmar Jäger: Ich wüsste nicht, was mir fehlt, ich habe alles was ich brauche.

Isabell Ehinger: Was machst Du am liebsten, wenn Du alleine bist?

Ottmar Jäger: Karl May-Filme gucken, Tony Marshall hören. Wenn gutes Wetter ist, gehe ich auch raus. Sonst ist alles in Ordnung. Sauberkeit hat man uns damals beigebracht.

Isabell Ehinger: Was hat sich noch verändert?

Ottmar Jäger: Es hat sich viel geändert in den Heimen. Ganz früher hat man die Leute noch gekannt, aber heute kennt man keinen mehr in Mühltal. Fast alle sind weggezogen.

Isabell Ehinger Wie findest Du das?

Ottmar Jäger: Besser ist es schon geworden, aber man kennt halt keinen mehr. Als ich mit Johannes (ein Mitarbeiter) mal bei dem Treffen in Nieder-Ramstadt war, da hatte sich alles geändert.

Isabell Ehinger:   Gibt es jemanden den Du gerne wieder sehen würdest von früher?

Ottmar Jäger: Da fallen mir keine Namen ein. Ich habe viele gekannt, aber ob die noch da sind …

Isabell Ehinger: Würde es Dir gefallen, wenn sich jemand von früher bei Dir meldet? Vielleicht erkennt dich ja jemand im Artikel?

Ottmar Jäger: Joa, ist nur die Frage, wer das sein kann.

Sollten Sie Herrn Jäger wiedererkannt haben und würden ihn gerne besuchen, wenden sie sich bitte an das Betreute Wohnen Groß-Gerau. Er wird sich sicherlich über ihren Anruf freuen!

Text und Portraitfoto Isabell Ehinger

Ottmar Jäger
Ottmar Jäger
 
 
Sonderheft 10 Jahre VW Mörfelden

In diesem Jahr feiert der NRD-Wohnverbund Mörfelden sein 10-jähriges Bestehen, ebenso wie die Wohnverbünde Groß-Bieberau und Wallertheim. Anläßlich des Jubiläums erstellten die Bewohner und Bewohnerinnen in Mörfelden eine Jubiläumszeitschrift mit dem Titel "ZEHN - 10 Jahre - Vielfalt - auf Ihr Wohl". Das Interview mit Ottmar Jäger ist diesem Heft entnommen. Die Erstveröffentlichung erfolgte im Heft 1/2012 der damaligen NRD-Zeitschrift "NRD intern".

 

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