11.01.2022 | Katrin Baginski
Gesellschaftliche Teilhabe bezieht sich nicht nur auf die Bereiche Wohnen und Arbeiten – auch Kultur, Freizeit oder Mobilität sind wichtige Themen. Die Nieder-Ramstädter Diakonie möchte deshalb einen Unterstützenden Dienst für Erwachsene installieren, mit dem entsprechende Angebote bedarfsgerecht organisiert werden können.
In
der Umsetzung der dritten Stufe des Bundesteilhabegesetzes geht es um die Ausrichtung
von Betreuungsangeboten entsprechend dem persönlichen Bedarf. Welche
Unterstützungsleistungen werden in Zukunft gebraucht? Wie werden diese angeboten
und organisiert? Auf Grundlage dieser Überlegungen erarbeitet Petra Grunewald
vom Geschäftsbereich Teilhabe in Hessen zurzeit mit einer Projektgruppe ein
Angebotskonzept für einen Unterstützenden
Dienst . Ziel ist es, eine flexible
Angebotspalette an Unterstützungsleistungen für erwachsene Menschen mit
Beeinträchtigung zu etablieren – unabhängig davon, ob sie bei ihrer Familie, in
einer eigenen Wohnung oder einer gemeinschaftlichen Wohnform leben. Im
Mittelpunkt steht die Konkretisierung einer personenzentrierten
Betreuungsorganisation für alle Unterstützungsbereiche. Die schwierigen
Rahmenbedingungen der letzten Monate haben das Projekt bisher immer wieder
unterbrochen. Vorgesehen sind Schulungen und Fortbildungsangebote für die
Mitarbeitenden. Den Klient*innen soll eine aktive Mitwirkung bei der
Angebotsgestaltung durch Befragungen und Workshops ermöglicht werden.
Bedarfsermittlung mithilfe von Workshops
Was will ich im Alltag machen? Welche Hilfe brauche ich dafür? Und welche Wünsche habe ich an eine Betreuungsperson, die mich dabei unterstützen kann? Mit diesen Fragestellungen beschäftigen sich zurzeit die Klient*innen Monika M., Lisa Z., Heike S. und Natascha E. Die vier Frauen treffen sich seit diesem Frühjahr regelmäßig mit Petra Grunewald zu einem gemeinsamen Workshop. Sie sind mit großem Engagement dabei und wollen im gemeinsamen Austausch herausfinden, wie eine gute Unterstützung für sie aussehen könnte. Drei der Frauen leben in kleinen Wohngemeinschaften auf dem ehemaligen Zentralgelände der NRD in Mühltal, eine in ihrer eigenen Wohnung in Traisa. So unterschiedlich wie ihre Lebensgeschichten ist auch ihr individueller Bedarf an Unterstützung.
Eigene Bedürfnisse erkennen und formulieren
Eigenständig sein und mitentscheiden
können ist den vier Frauen wichtig. Der gemeinsame Workshop macht ihnen Spaß.
Natascha E. übernimmt dabei gerne die Sprecherrolle und animiert die anderen,
sich zu äußern. Monika M. beispielsweise liebt Tiere, sie würde gerne ab und zu
einen Ausflug in einen Tierpark machen. Aber sie weiß nicht, wie das für sie
machbar wäre und welche Kosten dafür entstehen. Natascha E. ist ein sehr
lebensfroher Mensch. Trotzdem fehlt ihr manchmal der Mut, jemanden
anzusprechen, wenn sie gerne Unterstützung hätte. „Da wäre es mir lieber, es
ist noch jemand dabei“, gibt sie offen zu.
Petra Grunewald regt die Frauen in den Workshops dazu an, sich gegenseitig Tipps und Hilfestellung zu geben. „Um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, muss ich Möglichkeiten kennen und diese auch ausprobieren können“, macht sie deutlich. Die meisten Bedürfnisse der Teilnehmerinnen entsprechen dem Wunsch nach einem selbstständigen Leben: Sie möchten Kochen lernen, besser rechnen können, mit Geld umgehen lernen. Vier Workshops haben sie bereits gemeinsam durchgeführt. Im nächsten Jahr werden diese weitergehen. Dann würde die Gruppe gerne den Teilnehmerkreis durch andere interessierte Klient*innen erweitern.
Flexibel entscheiden
Am Ende des Projekts soll ein
neues, flexibles Angebotssystem stehen, das den Mensch in den Mittelpunkt
stellt. Die verschiedenen Betreuungsleistungen sollen in einer Art
Leistungskatalog zusammengefasst und von den Klient*innen selbstständig gebucht
werden können. Der Katalog enthält je nach Lebenssituation und Anlass
unterschiedliche Dienstleistungen, beispielsweise Haushaltsführung und
Einkaufen, Freizeitbegleitung, Unterstützung und Begleitung im Sozialraum, bei
Bedarf Sicherstellung der Wirksamkeit ärztlicher Verordnungen, Entlastung und
Beratung von Familien, Fahrdienste oder Urlaubsangebote. Wesentliches Element
ist die Befähigung zur Verständigung mit der Umwelt. Dabei helfen die
individuellen Angebote der Unterstützenden Kommunikation der NRD.
Mit der
persönlichen Unterstützungsplanung „Mein Plan“ ist bereits eine erste Grundlage
zur stärkeren Einbindung der Bedürfnisse und Wünsche von Klient*innen
geschaffen, diese wird sukzessive in den Betreuungsalltag integriert.
Die
Aktion Mensch e. V. fördert das Projekt Unterstützender Dienst für drei Jahre. Petra
Grunewald und ihre Kolleginnen freuen sich über weitere Mitstreiter, Ideen und
Projekte zur Unterstützung der Eigenständigkeit von Klient*innen (Kontakt:
Petra Grunewald, Telefon: 06151 149 1878 , E-Mail: petra.grunewald@nrd.de).
Zweites Projekt in RLP
Auch in Rheinland-Pfalz entwickelt die NRD einen Unterstützenden Dienst. Das Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und wird ebenfalls durch die Aktion Mensch e. V. gefördert. Der „UD“ bietet hier ein ergänzendes Angebot zu den bereits etablierten Leistungen. Neben der Teilhabeassistenz in Schulen und Kitas erhalten Klient*innen in den besonderen Wohnformen bedarfsorientierte Leistungen und individuelle Unterstützung in der Freizeitgestaltung. Auch junge Erwachsene in Übergangssituationen, die bisher nicht Klient*innen der NRD waren, sollen über das Projekt unterstützt werden. Zielsetzung des Projekts ist die Gestaltung neuer Leistungsangebote und die Ansprache zusätzlicher Kundenkreise.
Foto: Unser oberes Bild zeigt Monika M., Natascha E. und Heike S., die zusammen mit Petra Grunewald Vorschläge und Kriterien sammeln.
Klient*innen des Betreuten Wohnens und in den besonderen Wohnformen in Mühltal können über den Bereich Service & Care bereits individuelle Leistungen nutzen. Bei Bedarf ist ein Reinigungsdienst buchbar, um zusätzliche Unterstützung und Anleitung bei der Instandhaltung der Wohnräume zu erhalten. Im Wohnverbund Pulvermühle startet demnächst ein weiteres Pilotprojekt, mit dem den dort lebenden Senioren zusätzliche Begleitangebote im sozialen Raum ermöglicht werden sollen.
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