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Nach 40 Arbeitsjahren in der NRD - Lebensabend in der Altenhilfe

04.11.2016 | Marlene Broeckers

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Nach 40 Arbeitsjahren in der NRD - Lebensabend in der Altenhilfe

Bei schönem Wetter sitzt Egid Reichert gerne auf der Bank vor dem Haus. Seinen Rollator vor den Knien schaut er nach rechts über den Fliednerplatz, nach links zum Elisabethhaus. Haus und Garen sind nachmittags voller Leben, denn hier werden Kinder vom Familienunterstützenden Dienst der NRD betreut. Früher wohnte der Leitende Pfarrer der damaligen Nieder-Ramstädter Heime, Hans Huthmann, mit seiner Familie in dem schönen Haus. Huthmann hat Egid Reichert 1960 per Handschlag eingestellt. Kurz später bekam er einen Arbeitsvertrag als Hilfspfleger. 40 Jahre hat Egid Reichert für die NRD gearbeitet. Heute, mit 73 Jahren, wohnt er in der NRD-Altenhilfe. Auf dem Gelände zwischen Dornwegshöhstraße, Eichwiese, Stiftstraße und Ahornweg hat sich der größte Teil seines Lebens abgespielt. Zufrieden? „Ja, schon“, sagt er.

Geboren ist Egid Reichert 1942 im hessischen Altenstadt. Seinen Vater hat er nicht kennengelernt, er fiel als Soldat Ende 1944 in Berlin. Aufgrund von Lernschwierigkeiten besuchte der kleine Egid ab dem Grundschulalter die Pestalozzi-Schule in Gießen und wohnte während der Woche in einem Jugendheim. Das Wochenende verbrachte er in Altenstadt bei seiner Mutter und seiner Tante, letztere sorgte mit für ihn, da die Mutter als Bahnschaffnerin ihr Geld verdiente. „Sie ist zehn Jahre lang zwischen Frankfurt und Berlin hin und hergefahren, bis 1954 meine Schwester geboren wurde“, erinnert sich Reichert.

Ein Vortrag mit Folgen

Was soll Egid mal werden? Das war die Frage nach der Schulentlassung. Im Lebensmittelladen seines Stiefvaters mitzuarbeiten, danach stand Egid nicht der Sinn. „Ich wollte Krankenpfleger sein, das wusste ich schon immer“, sagt er. Dass sein Wunsch, sich um Menschen zu kümmern, in den Nieder-Ramstädter Heimen erfüllt werden sollte, verdankt er Freunden seiner Mutter, die einfach mitgedacht haben.
„Pfarrer Huthmann hat 1960 in der evangelischen Kirche Altenstadt einen Vortrag über die Heime gehalten“, berichtet Egid Reichert, „er erzählte von der Arbeit und bat um Kleiderspenden“. Regelmäßig einmal im Monat fuhr damals bereits ein Bus von Altenstadt nach Nieder-Ramstadt, um Kleiderspenden zu bringen. Viele Altenstädter kannten die damaligen Heime daher gut, denn Pfarrer Huthmann führte die Besucher herum und gab Einblicke in die Arbeit mit behinderten Menschen. „Die Verbindung zu Altenstadt lag nahe, weil Pfarrer Huthmann vor seiner Zeit in den Heimen Pfarrer in Ranstadt im Kreis Büdigen gewesen war“, erklärt Reichert die Zusammenhänge.

„Elisabeth, frag doch mal den Pfarrer Huthmann, ob er deinen Egid gebrauchen kann“, sagte ein Freund am Vortragsabend zu Egids Reicherts Mutter. „Ja, schicken Sie mir den Bub doch mal nach Nieder-Ramstadt“, war Huthmanns unkomplizierte Antwort.

So kam Egid Reichert zu seinem Beruf. In den Heimen machte er eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer. Im Einsatz war er die ersten Jahre auf sämtlichen Wohngruppen im Bodelschwingh-Haus, dem Männerhaus, wo früher um die 200 Männer mit Behinderung untergebracht waren. Neben dem Hausleiter samt Familie wohnten dort auch etlichen Diakone und Pflegehelfer wie Egid Reichert. Dass er sein Zimmer mit zwei Männern teilen musste, die als sogenannte „helfende Pfleglinge“ im Haus tätig waren, störte ihn nicht. Denn es waren Menschen, die „in Ordnung waren“ – was das heißt, dafür hat der gutmütige Egid Reichert bis heute ein sicheres Gespür.

Viel Arbeit, einfaches Essen

Die Arbeit war reichlich und vielfältig. Fenster und Böden putzen, was damals auch hieß: die Holzböden einwachsen und bohnern; Essen aus der Großküche holen, die Treppen hochschleppen und verteilen; Menschen beim Essen assistieren, was damals „füttern“ hieß. Die Mahlzeiten waren einfach. „Wir holten meistens drei große Kübel. Da waren zu Beispiel drin: Brotsuppe, Pellkartoffeln und Gemüse. Auch das Brot wurde damals in den Heimen selbst gebacken. Das war gutes Brot.“

Und abends? „Da war ich froh, wenn ich in mein Bett fallen konnte“. Unterwegs sein? „Nicht so viel. Das Gelände war ja eingezäunt, allerdings waren die Tore offen. Aber wenn man mal weg war und nach 22 Uhr abends zurückkam, musste man die Nachtwache rausklingeln, die einen dann ins Haus gelassen hat. Ich bin nicht groß in die Wirtschaft gegangen. Pfarrer Huthmann wollte das nicht.“

Mit der Zeit öffnete sich die Heime für Mitarbeiter aus dem Ort und der Umgebung. Damit öffnete sich der Ort auch für Egid Reichert. Er wurde Mitglied im Turn- und Sportverein und machte die Schiedsrichterprüfung im Fußball. Bei Deutschen Roten Kreuz machte er die Ausbildung als Ersthelfer und diente beim Herbstbasar der NRD ehrenamtlich als Sanitäter. Jeder in Nieder-Ramstadt kannte den Egid und umgekehrt. Der friedliche und hilfsbereite Mann war überall gern gesehen.

Die schönste Zeit seines Berufslebens verbrachte er im Haus Arche. Dorthin zog nach der Eröffnung 1982 die erste gemischte Gruppe von Frauen und Männern, geleitet von Karl Heist aus Kirchbormbach, den alle „Vater Heist“ nannten. Bis zur Pensionierung im Jahr 2000 blieb Reichert in der Arche 7, die 18 Jahre nennt er seine schönsten Zeit im Berufsleben. Längst war er damals ausgezogen aus dem Bodelschwinghhaus und lebte mit seiner Mutter im eigenen Haus an der Eichwiese. Nach ihrem Tod mietete er eine kleine Wohnung an der Dornwegshöhstraße. Dass er sie vom Reinigungsdienst der NRD sauber halten ließ, war ein Glück für den alleinstehenden Mann. Denn er wurde schnell gefunden, als er 2003 einen Schlaganfall erlitt und nicht öffnete, als die Reinigungskraft klingelte.

„Herr Diehl hat mich zurückgeholt

Nach Krankenhaus und Reha konnte er nicht mehr alleine wohnen und zog ins Altenheim nach Nieder-Modau. Nun, da es auch in Mühltal die NRD-Altenhilfe gibt, ist Egid Reichert wieder zurückgekehrt. „Walter Diehl hatte die Idee und ließ bei mir anfragen, ob ich nicht wiederkommen will“. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude, wo er als Rentner regelmäßig Spendenbriefe für die Abteilung Kommunikation & Fundraising eintütete, hat er jetzt sein Zuhause -mit Blick auf Elisabethhaus, auf die neuen Häuser am Fliednerplatz und auf die „Weinstube“ in der Stiftstraße, wo er regelmäßig freitags seine Apfelschorle trinkt und eine Räucherwurst isst. „Die Wurst kommt von nebenan, vom Metzger Göbel, und schmeckt ganz prima“, sagt er. Bernd Dieter, der die kleine Wirtschaft seit dem Tod seiner Eltern aus Liebhaberei weiter betreibt, weiß seinen Stammgast zu schätzen: „Der Egid ist ein Nieder-Ramstädter Urgestein. Er kennt hier jeden und weiß alles.“

Egid Reichert ist ein bescheidener Mensch. Er ist mit seinem Leben zufrieden. Offene Wünsche hat er keine: „Friedlich leben“, sagt er, „und ab und zu ein geräuchertes Würstchen vom Göbel.“ Es ist ihm von Herzen zu wünschen, dass er dies noch einige schöne Jahre genießen kann.
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