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Bundesteilhabegesetz auf der Zielgeraden

18.06.2016 | Marlene Broeckers

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Bundesteilhabegesetz auf der Zielgeraden

Mehr als zehn Prozent der deutschen Bevölkerung sind schwerbehindert - 7,5 Millionen Menschen. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) soll ihnen u.a. durch verbesserte Beratung zu mehr Rechten verhelfen. Die Meinungen und Wünsche von Menschen mit Behinderung sollen die Planung und Umsetzung der jeweils notwendigen Unterstützung stärker bestimmen. So sollen sie besser wählen können, wo und wie sie leben. Sie sollen Geld ansparen können, Barrieren sollen abgebaut, die Mitwirkungsmöglichkeiten sollen gestärkt werden. Zurzeit ist der Gesetzentwurf, der im Bundesministerium für Arbeit und Soziales erarbeitet wurde, in der Beratung. Im Herbst soll das Gesetz verabschiedet werden, im Januar 2017 soll es in Kraft treten.

Mit dem Bundesteilhabegesetz will die Bundesregierung die 2009 ratifizierte UN-Behindertenkonvention weiter umsetzen. Diese verlangt, dass die Hilfe für Behinderte nicht nur als Fürsorge gewährt wird, sondern als selbstverständlicher Weg zur umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe begriffen wird. Eine wesentliche Veränderung durch das BTHG wird sein, dass die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe herausgenommen und zu einem Leistungsrecht innerhalb des Sozialgesetzbuches IX - Rehabilitation und Teilhabe - wird. Dies bedeutet unter anderem, dass die staatlichen Hilfszahlungen nicht mehr in dem Maß wie bisher vom Einkommen und Vermögen der Betroffenen abhängig sind. Bislang darf ein behinderter Mensch, der Eingliederungshilfe bezieht, nicht mehr als 2.600 Euro auf seinem Konto haben – alles Übrige wird ihm abgezogen und auf die Hilfsleistungen angerechnet. Dieser geringe Freibetrag soll auf 25.000 Euro ansteigen und in mehreren Stufen bis auf 50.000 Euro angehoben werden.

Auf dem Weg in den normalen Arbeitsmarkt soll es durch das „Budget für Arbeit“ künftig Erleichterungen geben: Arbeitgeber, die einen behinderten Menschen einstellen, erhalten einen unbefristeten Lohnkostenzuschuss.

Die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nennt das kommende Gesetz einen „Meilenstein“ und erwartet, dass Millionen von Menschen davon profitieren werden. Viele Betroffene aber haben das Gefühl, mit ihren Bedürfnissen nicht gehört zu werden. So sagt Verena Bentele, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung: „Menschen mit Behinderungen wurden im vergangenen Jahr vom Bundesarbeitsministerium vorbildlich an den Vorbereitungen des BTHG beteiligt. Jetzt aber liegt ein Gesetzesentwurf vor, in dem die Betroffenen wichtige Forderungen nicht erfüllt sehen. Aus der bisherigen Beteiligung wird Stück für Stück Protest. Damit dieser nicht ungehört verhallt, setze ich mich gemeinsam mit den Verbänden der Menschen mit Behinderungen dafür ein, dass es noch Änderungen an dem Gesetz geben wird. Dafür muss weiter das Expertenwissen der Menschen mit Behinderungen einbezogen werden.“


Barrieren im Alltag bleiben

Mehrere Dutzend RollstuhlfahrerInnen haben sich in der Nacht zum 12. Mai in Berlin am Reichstagsufer festgekettet. Mit dabei waren auch Ottmar Miles-Paul, der frühere Behindertenbeauftragte von Rheinland-Pfalz, und auch Raul Krauthausen, der am 5. Mai in Darmstadt zu Gast war (siehe Bericht auf S. xx) Sie protestierten gegen die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes, das am 12. Mai im Bundestag verabschiedet wurde. Denn während der Abbau von Barrieren in Bundesgebäuden beschlossen wurde, bleibt die im Alltag so wichtige Zugänglichkeit von Arztpraxen, Geschäften und Restaurants weiterhin die private Entscheidung der Dienstleister, Gastwirte und Ärzte. Menschen mit Behinderung haben also weiterhin so gut wie keine Handhabe, um gegen Barrieren beim Bäcker, in Geschäften, Restaurants, Cafés oder Kinos vorgehen zu können.

Verena Bentele sagt dazu: „Als nächstes muss die Privatwirtschaft auf Barrierefreiheit festgelegt werden muss. Im Alltag der Menschen mit Behinderungen spielt die Zugänglichkeit von Geschäften, Banken, Restaurants und Arztpraxen eine weit größere als die von Bundesbehörden. Hier muss sich noch viel tun.“

Das Behindertengleichstellungsgesetz ist seit 2002 in Kraft. Wenn es bis zur nächsten Reform wieder 14 Jahre dauert, dann müssen Menschen mit Behinderung weiter draußen bleiben. Das darf nicht wahr sein!

 
 

Die Position von Diakonie und BeB

Viele Selbsthilfegruppen und Verbände haben zu dem Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes Stellung genommen, so auch die Diakonie Deutschland und der Bundesverband evangelische Behindertenhilfe (BeB), in dem die NRD Mitglied ist. Begrüßt wird die Orientierung des Gesetzesentwurfes an der UN-Behindertenrechtskonvention, die Herausnahme der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII (Sozialhilfe), der Ausbau der Beratung von Menschen mit Behinderung (wenn auch zunächst bzgl. der Finanzierung durch den Bund befristet), die Klarstellung der Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger (also Rentenversicherung, Unfallversicherung, Krankenversicherung, Agentur für Arbeit, Kriegsopferfürsorge, Sozialhilfe, Jugendhilfe), die Einführung einheitlicher Standards in der Bedarfsfeststellung und die bundesweite Einführung des Budgets für Arbeit.

Kritisiert wird vor allem, dass die Definition des Behinderungsbegriffes nicht ausreichend ist, dass der Grundsatz des Nachteilsausgleiches nicht umgesetzt wird, dass einzelne Personenkreise durch die geplanten Regelungen (unvollständige Anwendung der Kriterien der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit-ICF) ihren Leistungsanspruch verlieren, dass die Leistungen der Pflegeversicherung in einzelnen Bereichen Vorrang vor den Teilhabeleistungen bekommen sollen, dass Leistungslücken durch die Trennung von existenzsichernden Leistungen (Grundsicherung) und Fachleistungen entstehen und dass Menschen mit einem komplexen Unterstützungsbedarf von Leistungen der beruflichen Bildung und der Teilhabe am Arbeitsleben ausgeschlossen sind.

Hans-Georg Küper

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