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Vom Botendienst wird höchste Zuverlässigkeit verlangt

09.11.2018 | Marlene Broeckers

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Marlene Broeckers

Texterin der NRD

Vom Botendienst wird höchste Zuverlässigkeit verlangt

Seit 2011 arbeitet Stefan Michler auf einem BiB-Platz in der Kreisklinik Groß-Umstadt.  Er macht Botengänge, die ihn auf alle zehn Stationen der Klinik und durch die ganze Verwaltung führen, um vor allem Patientenakten zwischen der Abteilung Medizincontrolling und den Stationen hin und her zu befördern. Eine sehr wichtige und verantwortungsvolle Arbeit.

Reinhard Saal trifft seinen Klienten Stefan Michler an der Klinik-Pforte, so wie immer. „Alles im grünen Bereich?“ fragt Saal den jungen Mann. „Alles bestens!“, sagt Stefan Michler. Damit könnte der wöchentliche Regel-Kontakt eigentlich schon beendet sein. Wenn Fragen oder Probleme besprochen werden müssen, bleibt Reinhard Saal vom Sozialdienst der Dieburger NRD-Werkstätten etwas länger – und das gilt auch heute, denn Stefan Michler, der seit 2011 in der Kreisklinik Groß-Umstadt tätig ist, möchte sich selbst und seinen Arbeitsplatz im Gespräch mit NRD bewegt! vorstellen. Vorweg sein Fazit: „Alle kommen mit mir klar und ich komme mit allen klar!“ Und Reinhard Saal setzt noch eins drauf: „Stefan Michler gehört zu unseren Top- Beschäftigten“. 

Seit 2007 ist Stefan Michler ein Beschäftigter der Dieburger Werkstätten; und schon seit 2007 arbeitet er auf externen Arbeitsplätzen. Über ausgelagerte Arbeitsgruppen und Praktika an Einzelarbeitsplätzen war er in den letzten zehn Jahren in vier verschiedenen Firmen tätig und arbeitet seit 2011 in den Groß-Umstädter Kreiskliniken mit einem sogenannten Beschäftigungsvertrag. Inzwischen hat er dort eine 35-Stunden-Woche, also nach Werkstatt-Regeln eine volle Stelle. Er macht Botengänge, die ihn auf alle zehn Stationen der Klinik und durch die ganze Verwaltung führen. Mehrmals am Tag geht er über den Hof zwischen Verwaltung und Klinik hin und her, um vor allem Patientenakten zwischen der Abteilung Medizincontrolling und den Stationen hin- und her zu befördern. Eine sehr wichtige und verantwortungsvolle Arbeit. Die Akten beinhalten alle Informationen über Patienten und sind auch extrem wichtig für eine korrekte Abrechnung. Dafür schafft das Kodierungsbüro die Voraussetzungen. Alles, was mit einem Patienten während der Dauer seines Klinikaufenthaltes geschieht, muss exakt dokumentiert sein, jede einzelne Leistung wird kodiert, also mit einer Kennzeichnung versehen, die am Ende die Grundlage für die Kostenabrechnung darstellt.

Werkstatt-Platz in der „normalen“ Arbeitswelt

Zunächst war Stefan Michler nur in Teilzeit in der Klinik tätig, denn er arbeitete auch noch in der Mensa der Hochschule Dieburg. Weil er sich in der Klinik so geschickt anstellte, fielen den Mitarbeitenden immer noch weitere Tätigkeiten ein, die „der Stefan“ übernehmen könnte. So kam es dann 2015 zu einem neuen Vertrag, der aber noch kein regulärer Arbeitsvertrag ist. Nach wie vor ist Stefan Michler Beschäftigter der Dieburger Werkstätten und im Rahmen eines so genannten Betriebsintegrierten Beschäftigungsverhältnisses (BiB) im Krankenhaus tätig.

Wöchentlich besucht Reinhard Saal seinen Klienten
Wöchentlich besucht Reinhard Saal seinen Klienten

„Das BiB ist ein gutes Modell, unter anderem um Arbeitgeber zu ermutigen, einem Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance zu geben.“, sagt Reinhard Saal, seit 1987 für die Dieburger Werkstätten tätig. „Ein BiB-Platz ist ein Werkstatt-Platz außerhalb der Werkstatt.“ Zwölf solcher Beschäftigungsplätze gibt es derzeit bei den Dieburger Werkstätten, mehr als 30 bei den Mühltal-Werkstätten. Arbeitgeber, die damit gute Erfahrungen machen, werden eher bereit sein zu einer Festanstellung, so die berechtigte Hoffnung, die mit BiB-Jobs verbunden ist.

Auch Stefan Michler hofft, dass er bald einen Arbeitsvertrag in der Kreisklinik unterschreiben kann. Schon 2017 hat er sich beworben, daraus wurde noch nichts. Michler ist mit seiner Arbeit sehr zufrieden und bei allen in der Klinik beliebt. Zu Weihnachten bekommt er viele kleine Geschenke, und er wird überall vermisst, wenn er im Urlaub ist. Dies nicht nur, weil er immer ein Lachen im Gesicht hat, sondern weil er absolut verlässlich arbeitet. Wer ihn braucht, muss nur ein Funksignal aussenden, schon klingelt das kleine Gerät, das Stefan Michler bei sich trägt und er begibt sich auf dem kürzesten Weg an die Pforte, um zu erfahren, wer ihn braucht. Auch Uwe Kampfmann, der dort seinen Arbeitsplatz hat, findet: Stefan Michler verdient ein festes Anstellungsverhältnis.

Als Werkstatt-Beschäftigter bekommt er zurzeit monatlich 351 Euro Lohn für seine Arbeit. 450 Euro überweist die Klinik an die Dieburger Werkstätten, diese behält – wie in der Werkstattverordnung vorgeschrieben – einen Anteil als Rücklage ein. Da Stefan Michler in Griesheim mit seiner Mutter und deren Partner zusammen wohnt, bekommt er 104 Euro Wohngeld vom Landkreis Darmstadt-Dieburg als Sozialhilfeträger. „Ich arbeite viel und verdiene wenig“, fasst Stefan Michler seine Lage zusammen.

Das Bundesteilhabegesetz sieht seit Anfang 2018 vor, Arbeitgebern einen langfristigen Lohnkostenausgleich zu gewähren, wenn sie Beschäftigte aus der Werkstatt in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernehmen. Auch für Herrn Michler soll diese Möglichkeit geprüft werden. Falls ein solches Arbeitsverhältnis scheitert, dann ist auch die Rückkehr in die Werkstatt gesetzlich garantiert.

„Jetzt, auf dem BiB-Platz, tut der Staat viel für Stefans Rente“, erklärt Reinhard Saal. „Der Staat zahlt für ihn, wie für alle Werkstatt- Beschäftigten, in die Rentenkasse ein, und zwar auf einer fiktiven Basis von ca. 2.400 Euro Bruttogehalt. Würde Stefan in der Klinik fest angestellt, fiele die Einzahlung in die Rentenversicherung geringer aus. Aber er hätte monatlich auf jeden Fall viel mehr Gehalt als jetzt.“ Stefan Michler nickt zustimmend.

Passende Nischen in vielen Arbeitsfeldern

Über Inklusion denkt Dr. Lars Nagel positiv
Über Inklusion denkt Dr. Lars Nagel positiv

Dass die Kreiskliniken sich bemühen werden, seinem Anliegen zu entsprechen, steht außer Frage. Reinhard Saal betreut hier einen weiteren Menschen mit Beeinträchtigung und hat in der Zusammenarbeit nur gute Erfahrungen gemacht. „Ich denke sehr positiv über Inklusion, gerade aufgrund der Erfahrung mit Herrn Michler“, sagt Dr. Lars Nagel, Leiter des Medizincontrollings und Stefan Michlers Vorgesetzter. „Es gibt so viele Arbeitsfelder mit Nischen, in denen Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Superarbeit leisten können“.

Worin liegt eigentlich Stefan Michlers Beeinträchtigung? Was sagt er selbst dazu? „Keine Ahnung. Ich habe einen Hauptschulabschluss. Ich kapiere manche Dinge vielleicht langsamer als andere. Das ist alles.“

Auf rund 12.000 Schritte täglich bringt es Stefan Michler laut dem Pedometer an seinem Handgelenk. Eingerechnet sind dabei auch die Wege zur Arbeit und zurück nach Hause. Um 4 Uhr morgens steht er auf, damit er pünktlich um 7 Uhr seinen Dienst antreten kann, gegen 15 Uhr ist er wieder zurück in Griesheim. In seiner Freizeit ist er aktiv im Griesheimer Karnevalsverein: Er spielt im Musikzug mit – früher die Pauke, heute Becken – er ist in der Tanzgruppe und macht Playback-Auftritte, wenn‘s sein muss auch im Damenkleid. 

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  • Inklusion...

    ... heißt für mich, dass alle teilhaben. Es muss nicht immer alles perfekt sein, damit behinderte Menschen teilhaben können. Statt einer Super-Rampe tut es auch ein Stück Sperrholz. Und wenn das auch fehlt, kann man mich auch gerne mal über die Schulter werfen und irgendwo hinein tragen.

    Inklusion...
    Tobias Koch
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