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Auf Leons "Ohrringe" passen alle gut auf

30.04.2019 |  Gastautor

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Auf Leons "Ohrringe" passen alle gut auf

Christine Engling arbeitet seit neun Jahren als eine von elf Integrationsfachkräften im Familien unterstützenden Dienst der NRD in Rheinland-Pfalz. Zurzeit begleitet die Sozialarbeiterin zwei Kinder im katholischen Kindergarten „Haus der Großen-Kleinen-Leute“ im rheinhessischen Zornheim. 115 Kinder besuchen die Kita, drei von ihnen sind beeinträchtigt. Wie ihre Arbeit dort genau aussieht, beschreibt Christine Engling anhand eines typischen Arbeitstags.

Es ist noch vor acht Uhr morgens und freudestrahlend werde ich von den Kindern der Gruppe 1 begrüßt: „Schön, dass du da bist“. Draußen ist es noch dunkel und bitterkalt, aber hier am Frühstückstisch in der „Kleinen Altersmischung“ herrscht ein warmes Miteinander. Die Ein- bis Dreijährigen essen ihr mit-gebrachtes Frühstück und erzählen beim gemütlichen Beisammensein vom Schlittenfahren.

Auch der kleine Leon*, 3 Jahre alt, gehört zu der Gruppe. Schon seit mehr als einem Jahr besucht der Junge mit Trisomie 21 die Zornheimer Kita. So wie alle anderen fühlt er sich hier an diesem Morgen wieder sichtlich wohl. Auch er trinkt und isst das, was Mama oder Papa für ihn eingepackt haben. Manchmal möchte Leon am liebsten auch noch den Inhalt seiner zweiten Brotdose essen. Die ist aber erst für den Nachmittag bestimmt. Das erkläre ich ihm und auch, wenn ihm das nicht immer gefällt, kennt er die Regeln und weiß, dass sich alle daran halten.

Nach dem Frühstück spielt Leon am liebsten erstmal für sich allein. Das ist sein Ritual, um anzukommen. Wenn er etwas braucht, das er nicht alleine erreichen kann, holt er mich oder eine Erzieherin zu Hilfe. Leon verständigt sich mit Mimik und Gebärden, denn er kann noch nicht sprechen. Die 15-köpfige Gruppe profitiert davon, denn durch Leon und mich lernen auch sie die gebärdenunterstützte Kommunikation. Inzwischen beherrschen sie fast alle und verstehen so auch Leons Anliegen. Die Lieder oder Geschichten begleite ich mit Bildern und Gebärden. Manchmal, wenn Leon die Geschichten noch einmal hören möchte, wiederholen wir sie in einer kleineren Gruppe oder in der intensiveren Eins-zu-eins-Arbeit.

Leons Ohrringe

Ich finde es schön zu sehen, wie natürlich und unbeschwert die anderen Kinder mit Leon umgehen. Seine Hörgeräte nennen sie Ohrringe und wenn er sie hin und wieder herausnimmt und samt seiner Brille liegen lässt, passen sie gut darauf auf und bringen sie zu mir. Das passiert aber immer seltener. Leon hat seine Hilfsmittel schätzen gelernt und will nicht mehr darauf verzichten.

Dass ich mich oft gezielt um Leon kümmere und nicht immer Zeit für die anderen Kinder habe, ist zum Glück kein Problem für sie. Schließlich sind alle gut aufgehoben in einem kompetenten und liebevollen Team von Erzieherinnen. Wenn eine Erzieherin mit Leon arbeitet, kann ich dafür mit den anderen Kindern spielen oder ein kreatives Angebot machen. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Ich bin hier fester Bestandteil des Teams und darf den Alltag von Leon und den anderen Kindern mitgestalten. Das ist nicht immer selbstverständlich, schließlich bin ich eine externe Fachkraft. Hier werde ich häufig gebeten, meine Fachkenntnisse einzubringen, in Gebärden fortzubilden oder noch mehr über Trisomie 21 sowie allgemeine, und individuelle Fördermöglichkeiten zu berichten.

Außerdem tausche ich mich regelmäßig mit Leons Therapeuten aus, so dass eine gute und umfassende Förderung möglich ist. Wir arbeiten alle mit ähnlichen Methoden und haben die gleichen Ziele für Leon im Blick.

Ein strukturierter Kita-Alltag ist wichtig

Auch mit Leons Eltern bin ich regelmäßig im Gespräch. Wie entwickelt er sich? Welche Fortschritte macht er? Welche Schwierigkeiten tauchen im Alltag auf? Um meine Arbeit für sie transparent zu machen, dokumentiere ich täglich. Ich erstelle Zielpläne, schreibe Entwicklungsprotokolle und verfasse einmal im Jahr einen Teilhabeplan. Die beste Förderung für ihr Kind zu erreichen, ist den Eltern wichtig. „Wir wünschen uns für Leon, dass er sich hier in der Kita gut weiterentwickelt, sich angenommen und wohl fühlt und am Kindergartenalltag teilhaben kann“, sagen sie.

Zu Leons Unterstützung in der Kita gehören auch kleinere Sequenzen der sogenannten Frühförderung. Diese machen wir meist mitten im Getümmel der Großgruppe. Leon hat mit der Zeit gelernt, sich nicht ablenken zu lassen und lässt es gerne zu, dass auch die anderen Kinder von seinem Lernmaterial profitieren und die für ihn so schönen und interessanten Spiele mitmachen.

Da für Leon ein Alltag mit festen und sich wiederholenden Ritualen wichtig ist, weiß er auch, dass wir nach einer ausgiebigen Spielphase im Gruppenraum nach draußen gehen. Auch heute, obwohl es richtig kalt ist. Nicht nur Leon, alle Kinder mögen das und wollen heute mit den letzten Resten vom Schnee spielen. Meistens gehe ich mit Leon schon etwas früher zur Garderobe. Dann hat er genügend Platz und Zeit, kann gut beim An- und Ausziehen mitmachen und seine Sachen wegräumen. Das ist besonders wichtig, um eingeübte Handlungsabläufe zu festigen und Leon zur Selbständigkeit zu führen.

Wenn alle soweit sind, wird nach draußen gerannt, mit Bobby-cars gefahren, geschaukelt oder im Sand gespielt. Seit Leon eine kleine Schwester hat, fährt er am liebsten mit dem Puppenbuggy spazieren und setzt die Puppen dann mit zu sich in den Sand. Oft kommen dann noch andere Kinder hinzu und spielen mit.

Wieder im Haus zurück, bilden wir mit allen den Singkreis – Leons absolute Hauptattraktion am Vormittag. Er liebt Musik, Lieder und Fingerspiele und gebärdet fleißig mit. Die anderen gucken oft zu ihm oder mir, wenn sie die Gebärden vergessen haben und machen dann wieder weiter.

Zum Mittagessen sitzen wir alle wieder gemeinsam am Tisch. Heute gibt es Reissuppe. Bevor wir mit dem Essen beginnen, machen wir ein Fingerspiel, um Ruhe in die Runde zu bringen. Die anfängliche Scheu vor neuen Speisen hat Leon inzwischen abgelegt und er isst mit Appetit. Wer will, bekommt auch einen Nachschlag. Leon weiß das und gebärdet, dass es ihm gut schmeckt und er noch mehr haben möchte.

Einige Kinder werden nach dem Mittagessen abgeholt. Leon bleibt, wie die meisten aus seiner Gruppe, bis zum Nachmittag. Deshalb schläft er auch dort. Seine Matratze wird geholt und Leon richtet sich sein Bettchen für den Mittagsschlaf ein, bringt seine Kleidung ins Bad und macht es sich dann gemütlich. Ich begleite ihn, bis er einschläft. Wenn er mal gar nicht müde ist, gehen wir in den Nebenraum. Das ist dann eine gute Zeit, entweder noch einmal intensiv miteinander zu arbeiten oder für kleinere Aufträge, wie Spielsachen sortieren und wegräumen. Manchmal gehen wir auch ins große Haus, zu den anderen Gruppen mit den Drei- bis Sechsjährigen. Wir besuchen dann am liebsten Merle*, die seine Patin sein wird, wenn er bald in die Gruppe der Älteren wechselt.

Merle und Leon kennen sich schon länger. Beide Kinder begleite ich in der Einrichtung. Merle ist schon sechs Jahre alt und kommt im Sommer in die Schule. Leon mag Merle sehr, das macht vieles leichter für ihn, denn die Umgewöhnung in die große Gruppe wird ein großer Schritt für ihn sein.

Am Nachmittag wird der Dreijährige meist von Mama und seiner kleinen Schwester abgeholt. Leon winkt mir lachend zum Abschied zu. Es war wieder ein sehr schöner Tag. Bis morgen, Leon!

Text: Christine Engling

* die Namen wurden geändert

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